Die Vermutung, dass sich Faustwettkämpfe langfristig auf die Gesundheit auswirken, hält sich unter Medizinern aufrecht und wird alle paar Jahre neu aufgedröselt. Die Meinungen beziehen sich meist auf das Boxen, können aber auch für einen Kickboxer interessant werden. Wir wollen Euch einen kurzen Einblick in die Standpunkte der Befürworter und Gegner verleihen.
In 30 Sekunden das Wichtigste:
- Beim Boxen wirken enorme Kräfte, ein Profiboxer erreicht mit seiner dominanten Schlaghand +/- 700 Kg Schlagkraft (Wladimir Klitschko)
- Es gibt Studien, die negative Langzeitfolgen von Boxen, wie Demenz, erweisen. Diese blieben allerdings folgenlos.
- Beim Kickboxen gibt es jedoch je nach Verband unterschiedliche Schutzausrüstung.
Die Meinung unter Ärzten ist nicht eindeutig und wir sind keine Mediziner. Jedoch lassen sich unterschiedliche Meinungen zusammentragen und interpretieren, genau das haben wir im Folgenden getan.
Ärzte geben Kontra
Das Ziel besteht in einem K.O., also einem Knockout, des Gegners. Dieser Knockout wird erreicht, indem der Rivale mit möglichst vielen Körper- und Kopftreffern zu Boden geschickt wird und dort bleibt. Ein Punktsieg ist super, aber nur ein Sieg durch K.O. beweist absolute Dominanz.
Bei Kopftreffer wirken hohe Kräfte
Bei hartem Schlag eines Profiboxers bis zu 700 Kg Schlagkraft!
Bei einem Kopftreffer wird der Schädel des Getroffenen stark erschüttert und kurzzeitig deformiert. Tritte besitzen zwar mehr Kraft, werden aber aufgrund des längeren Weges zum Kopf selten mit einer derartigen Intensität getroffen, dass es schädlich wäre. Die Fäuste hingegen erreichen bei einem Profiboxer durchaus Geschwindigkeiten von 10 Meter pro Sekunde und treffen mit deutlich größerer Präzision. Es ist also nicht nur der Schlag zum K.O. entscheidend, sondern auch die Menge, die ein Boxer einsteckt, bevor er zu Boden geht.
Ein Profiboxer, wie Wladimir Klitschko, erreicht mit seiner rechten Schlaghand eine Kraft von 700 Kilogramm, mit seiner schwachen rechten Schlaghand sind es 300 Kilogramm.
Boxen kann zu Dauerschäden führen
Kopftreffer bzw. häufige K.O. führen zu Dauerschäden wie Demenz
Der Fall des K.O. tritt ein, wenn einer der Kontrahenten ein stumpfes Schädel-Hirn-Trauma erleidet, welches eine vorübergehende Bewusstlosigkeit zur Folge hat. Diese Bewusstlosigkeit vergeht und die Kurzzeitfolgen wie Kopfschmerzen, Schwindel oder Hörschäden können unter ärztlicher Aufsicht beseitigt werden. Die Mediziner befürchten allerdings, dass diese Traumata, besonders wenn sie wiederholt auftreten, Dauerschäden hinterlassen.
Es gibt hier nur eine handvoll Versuche, diese Langzeitschäden nachzuweisen, aber vermehrt wird von Ärzten bemängelt, dass langjährige Boxer verschiedene geistige Schwächen aufweisen. Außerdem wurden Boxergehirne mikroskopisch untersucht und wiesen dabei deutliche Schäden auf. Ein Artikel der TU München besagt sogar, dass man nach einem Schädel-Hirn-Trauma bei Tierversuchen die gleichen Mechanismen beobachtete, wie sie bei der unter „Alzheimer“ bekannten Krankheit auftreten.
Im Jahr 2005 forderte die World Medical Association (WMA) ein generelles Verbot des Boxsports. Diese Forderung hat allerdings, aufgrund der großen Lobby hinter dem Sport, wenige Chancen auf Erfolg.
Pro von Fans und Veranstaltern
Der Profi-Boxkampf gehört zu den am meisten gefeierten Ereignissen weltweit. Ob Maske, Ali oder Klitschko: Wenn sie ihren Titel verteidigen, schaut die ganze Welt zu und jubelt, wenn einer zu Boden geht.
Der Ruhm, den der erfolgreiche Boxer erhält sowie die Einnahmen, die aus der Lobby um den Sport entstehen, lassen Profiboxer und Veranstalter natürlich keinesfalls an der Rechtmäßigkeit derartiger Wettkämpfe zweifeln.
Außerdem: Vitali Klitschko gewann 45 von 47 Kämpfen und hat damit kaum Grund zur Sorge um seine Gesundheit und auch geistig ist es um ihn nicht schlecht bestellt, er wurde Ende 2015 zum Bürgermeister Kiews gewählt. Bei seinen Rivalen sieht das möglicherweise anders aus.
Forderungen nach mehr Schutz
Zurück zum Kickboxen speziell: Das Tragen von angemessenen Schutzausrüstungen, wie es im Amateurbereich (auch beim Boxen) üblich ist, senkt die Gefahr derartiger Langzeitschäden um ein Vielfaches. Hier sind die Regelwerke leider sehr unterschiedlich.
In Deutschland beispielsweise werden Wettkämpfe der WAKO und der WKA in allen Disziplinen mit einem Kopfschutz und stärkeren Handschuhen ausgetragen. Ein K.O. ist hier zwar ebenfalls möglich, aber der Kopfschutz nimmt einen Teil der Schlagkraft auf. Das senkt die Gefahr von Traumata enorm und die Zuschauer kommen immer noch auf ihre Kosten. Die WKF in Deutschland hingegen schreibt zwar starke Handschuhe vor, verzichtet aber in jeglicher Disziplin auf Kopfschutz.
Fazit: Profi-Kampfsport ist nicht ungefährlich
Ihr seht also, dass es für jedes Pro ein Kontra gibt und umgekehrt. Tatsache ist, dass diese neurologischen Schäden keinesfalls als „Hirngespinst“ abgetan werden können, sondern eine ernsthafte Schädigung darstellen, aber das müsst Ihr ja nicht überbewerten. Wenn wir damit anfangen wollen, die Gefahren am Sport zu analysieren, könnten wir auch gleich den Fußball verbieten, denn dort werden bestimmt mehr Knochen gebrochen, als beim Kickboxen.
Solltet Ihr planen, eine Karriere als Profi-Kickboxer zu starten, könntet Ihr natürlich darüber nachdenken, ob Ihr Eure Titel vielleicht lieber in einem Verband holen wollt, welcher auf derartige Schutzmaßnahmen Wert legt. Es geht hier allerdings um tausende Kopftreffer, die Ihr in einer zehn jährigen Profi-Karriere einstecken müsst, nicht um das wöchentliche Training oder vereinzelte Wettkämpfe im regionalen Turnier. Hier besteht für Euch keine Gefahr, also lasst Euch nicht vom erstbesten Medizinartikel abschrecken.
Bitte versteht uns nicht falsch: Wir sind große Fans von Kampfsportarten, auch von Kickboxen. Wir möchten hier lediglich neutral die Auswirkung von Kampfsport auf Profi-Kämpfer aufzeigen. Das sollte euch keineswegs davon abhalten die Sportart zu erlernen, auch im Training droht keine solche Gefahr (außer ihr tragt dort regelmäßig Sparringskämpfe mit unzureichender Schutzausrüstung aus).
Quellen
- 08.12.2010 – Professor Förstl, den Leiter der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der TU München, siehe auch http://www.taz.de/!5130865/
- 02.06.2011 – Frankfurter Rundschau: http://www.fr-online.de/wissenschaft/gesundheitsfolgen-des-boxens-erst-kommt-der-knock-out–dann-die-demenz,1472788,8516600.html
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