Es ist nicht immer einfach, zwischen Notwehr und Erstangriff zu unterscheiden. Das letzte Wort, wenn es zu einer Klage kommt, hat in jedem Fall das Gericht. Wir wollen Euch einen kleinen Überblick verschaffen, welche Paragrafen in dem Zusammenhang relevant sind und außerdem ein paar Gerichtsurteile nennen.


Notwehr wann
Quelle: Midjourney

Notwehr bei einem Angriff

Der Einfachheit zuliebe beginnen wir bei der Situation, welche den wenigsten Spielraum zulässt: Ein körperlicher Angriff auf eine unbeteiligte Person. Hier gilt selbstverständlich, dass man sich zur Wehr setzen darf. Die Verteidigung vor einem Angriff kann durchaus noch als Notwehr gewertet werden, das Eintreten auf einen am Boden liegenden Verbrecher dann allerdings nicht mehr.

Notwehr gemäß §32 StGB (Quelle)

(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.

(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

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Bedrohung oder Nötigung

Ein wenig schwieriger wird es schon bei der reinen Androhung von Gewalt. Natürlich müsst Ihr auch diese nicht hinnehmen, solltet Euch aber nicht direkt mit einem Tritt wehren. Absolut sicher geht Ihr nur, wenn Ihr auf Drohungen nur mit der Bitte reagiert, diese zu unterlassen. Das ist allerdings nicht immer einfach, da nicht jede Drohung aus 20 Metern Entfernung ausgesprochen wird, sondern meistens mit anderen Schikanen im Zusammenhang steht.

Dennoch solltet einen ruhigen Kopf bewahren und nicht direkt körperlich zur Wehr setzen, sonst kann das am Ende negative Konsequenzen für euch haben und Ihr seid in diesem Fall schließlich das Opfer. Schaltet einen Anwalt ein und lasst den Sachverhalt prüfen ggf. liegt eine Bedrohung oder Nötigung vor.

Nötigung gemäß §240 StGB (Quelle)

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Bedrohung gemäß §241 StGB (Quelle)

(1) Wer einen Menschen mit der Begehung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bedroht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

Sexuelle Nötigung

Eine Situation, in die überwiegend Frauen geraten, ist die sexuelle Belästigung. Hier müsst Ihr mit Eurer Reaktion sehr vorsichtig sein, da Ihr sonst schnell Gefahr lauft, die Grenze der Notwehr zu überschreiten. Denn bei einer Berührung des Hinterns besteht oftmals keine körperliche Bedrohung, die eine Notwehr rechtfertigen würde.

Bedenkt immer: Notwehr ist eine Verteidigung, die erforderlich ist, einen Angriff abzuwenden. Grapscht der Täter also und verschwindet augenblicklich, befindet Ihr Euch nicht mehr in einer Notwehrsituation, da keine weiteren Angriffe zu erwarten sind. Für sexuellen Missbrauch sieht die Sachlage natürlich anders aus. Ab wann dieser genau beginnt, ist natürlich nicht so klar zu fassen, eine klare Grenze können wir hier leider nur schwer benennen.

Sexuelle Nötigung; Vergewaltigung §177 StGB (Quelle)

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

  1. der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
  2. der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
  3. der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
  4. der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
  5. der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

Das ist nur ein Auszug aus dem Paragrafen. Die Minimalstrafe nimmt nach Schwere zu, je schlimmer die sexuelle Nötigung ausfällt bzw. ob noch Waffen eingesetzt werden oder das Opfer verletzt wird et.

Einbruch bzw. Hausfriedensbruchv

Der Einbruch in die eigene Wohnung gehört für viele Menschen zum absoluten Horrorszenario, welches sie nie erleben möchten. Verständlicherweise, denn es existiert wohl kaum ein Angriff, der tiefer in Eure Privatsphäre eindringt. Es gibt Fälle, in denen wurden die Einbrecher auf frischer Tat ertappt, verprügelt oder sogar erschossen. Und Ihr habt das Recht Euch gegen einen Einbrecher zur Wehr zur setzen, aber es muss die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden.

  • Ihr dürft laut Notwehrrecht einen Angriff auf Euch abwehren, aber wenn der Täter sofort bei Eurem Anblick die Flucht ergreift, gilt der Angriff in aller Regel als abgewehrt und jede weitere Attacke auf den Angreifer kann zu Euren Ungunsten ausgelegt werden.
  • Wer auf Euer Grundstück widerrechtlich eindringt oder auch einer Aufforderung nicht Folge leistet, es zu verlassen, begeht Hausfriedensbruch. Aber das gibt keinen Grund die Person körperlich zu schädigen und das Notwehrrecht wird aller Wahrscheinlichkeit nicht greifen.

Der Paragraf §127 StGB erlaubt das Festhalten des Eindringlings, bis die Polizei eintrifft, aber wollt Ihr in einem Ernstfall dieses Risiko eingehen? Stattdessen: Ruft lieber gleich die Polizei oder vertreibt den Eindringling eigenhändig, letzteres aber bitte ohne Gewaltanwendung.

Vorläufige Festnahme §127 StGB (Quelle)

(1) Wird jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt, so ist, wenn er der Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann, jedermann befugt, ihn auch ohne richterliche Anordnung vorläufig festzunehmen. Die Feststellung der Identität einer Person durch die Staatsanwaltschaft oder die Beamten des Polizeidienstes bestimmt sich nach § 163b Abs. 1.

Mobbing

Das Mobbing stellt leider einen sehr schwierigen Sachverhalt dar, wenn wir die Berechtigung zur Notwehr suchen. Es können unterschiedliche Gesetze überschritten worden sein.

  • Bei „körperlichem“ Mobbing, also Drängen in eine Ecke, Herumschubsen oder zu Boden zwingen, ist eine Gegenwehr durch körperliche Gewalt möglicherweise noch vertretbar und auch nötig und könnte als Notwehr ausgelegt werden.
  • Wie sieht es aber mit dem psychischen Mobbing aus? Beleidigungen, Verleumdung, Verbreitung falscher Tatsachen? Bei diesen Punkten wird geht keine körperliche Bedrohung aus und geben keinen Anlass zur Gewaltanwendung.

Hier beißt sich die Katze ein wenig in den Schwanz. Einerseits sollt Ihr immer das mildeste Mittel wählen, um den Täter aufzuhalten, wenn das milde Mittel allerdings nichts bewirkt, dürft Ihr nicht einfach zum Nächsten greifen.

Das beste Mittel gegen Mobbing ist in den meisten Fällen, Euch selbst eine „Gruppe“ zuzulegen, so dass Ihr mit der mobbenden Gruppe konkurrieren könnt. Findet Freunde in einem Verein, die sich für Euch einsetzen, dann habt Ihr die beste Chance, das Mobbing zu beenden. Auch Selbsthilfegruppen und -vereine können Euch Halt und Hilfestellungen bieten.

Beleidigung §185 StGB (Quelle)

Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Üble Nachrede § 186 StGB (Quelle)

Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Verleumdung § 187 StGB (Quelle)

Wer wider besseres Wissen in Beziehung auf einen anderen eine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden geeignet ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Nötigung gemäß §240 StGB (Quelle)

Interessante Urteile zum Notwehrrecht

Kamera aus der Hand schlagen, bei Privatspährenverletzung

Ein Vermieter verschafft sich Zutritt zur Wohnung des Mieter und wollte Fotoaufnahmen mache. Der Mieter schlug dem Vermieter die Kamera aus der Hand.

Das Gericht sagt: Notwehr wegen Verletzung der Privatsphäre. Zur Quelle

Notwehr mit tödlicher Folge unter Alkoholeinfluss

Zwei Bekannte treffen sich, trinken viel Alkohol und geraten in Streit. Einer schlägt wiederholt zu, der andere reagiert mit einem Schwitzkasten. Der Schläger stirb als Folge einer Erstickung.

Das Gericht entschied auf Notwehr und wies die Anklage auf vorsätzliche Körperverletzung zurück. Zur Quelle

Glaswurf, wegen Rauch anpusten

Eine Frau weist Raucher in einem Nichtraucherbereich auf das Verbot hin. Einer der Männer pustet Ihr Rauch direkt ins Gesicht, woraufhin sie mit dem Glas in ihrer Hand nach ihm wirft.

Urteil: Notwehr. Das Anblasen mit Rauch sei eine Beleidigung und Körperverletzung zugleich gewesen. Zur Quelle

Übertriebene Abwehr eines Angriffs

Ein Mann greift ein Ehepaar an und verdreht der Frau den Finger. Der Ehemann schlägt mit der Faust in dessen Gesicht, wodurch der Täter nach 3 Monaten sogar das Auge verlor.

Das Urteil: 27.000 € Schmerzensgeld für den Angreifer, da der Ehemann anhand der Situation übertrieben reagierte. Zur Quelle

Schuss mit tödlicher Folge

Ein Rentner wird von einer Gruppe Jugendlicher angegriffen, festgehalten und sogar gefoltert. Sie fliehen, nachdem sie die Alarmanlage seines Tresors ausgelöst haben. Der Rentner greift nach seiner Waffe und schießt einem der Täter in den Rücken, welcher als Folge stirbt.

Urteil: Totschlag, da die Gruppe bereits auf der Flucht gewesen war, als der Schuss traf. Zur Quelle

Fazit

Es gibt leider bei rechtlichen Themen meist kein richtig oder falsch, sondern hängt von dem Einzelfall ab. In aller Regel könnt Ihr aber auf euer Gewissen und Euer Gefühl achten. Seid Ihr in einer Notsituation und Euch droht Schaden oder ist welcher angetan worden, dann habt Ihr in aller Regel das Recht euch zu wehren. Aber Emotionen sind meist ein schlechter Ratgeber, also nur in dem Maße, bis Ihr geschützt seid.

Falls Ihr in einer solchen Situation wart, dann empfehlen wir euch Kontakt zur Polizei (in dringenden Fällen natürlich sofort 110 anrufen!) und einem Anwalt zu suchen. So seid Ihr auf der richtigen Seite und könnt die richtigen Konsequenzen aus dem Vorfall ziehen.

Maximilian Hitzler